Migränetabletten gegen Hepatitis C – Flunarizin hemmt den Viruseintritt in die Leberzellen

Obwohl es inzwischen wirksame Medikamente gegen Hepatitis-C-Virusinfektionen gibt, sind nach wie vor etwa 130 Millionen Menschen weltweit von einer chronischen Infektion mit dem Virus betroffen. Die Folge sind häufig schwere Leberschäden. Hepatitis C ist nach wie vor die Hauptursache für Lebertransplantationen. Das Problem: Diese Medikamente gegen das Virus sind sehr kostspielig. Sie sind gerade für die Masse der Patienten in wirtschaftlich schwachen Ländern – in denen HCV besonders verbreitet ist – nicht erreichbar. Um alternative, kostengünstige Therapiemöglichkeiten für Patienten mit chronischen HCV-Infektionen zu finden, haben Wissenschaftler des TWINCORE spezielle Substanzsammlungen untersucht. Das Besondere an diesen Sammlungen ist, dass sie Wirkstoffe enthalten, die bereits für die Behandlung anderer Krankheiten zugelassen sind. Und das Screening hat einen viel versprechenden Treffer ergeben: Das in Kanada und Europa eingesetzte Migränemedikament Flunarizin.

„Wir haben uns bei der Suche nach neuen Ansätzen gegen HCV zunächst auf Medikamente konzentriert, die Ionenkanäle blockieren“, sagt Paula Perin, Wissenschaftlerin am Institut für Experimentelle Virologie. Ionenkanäle spielen eine wichtige Rolle bei der Infektion der einzelnen Leberzellen mit den unterschiedlichen Hepatitis-C-Virusstämmen. Denn HCV ist durchaus nicht gleich HCV. Heptitis-C-Viren sind sehr variabel und Wissenschaftler unterscheiden derzeit sieben unterschiedliche Genotypen mit wiederum diversen Subtypen – die sich mit leicht unterschiedlichen Mechanismen ihren Platz in der menschlichen Leber sichern. 23 Medikamente, die für unterschiedlichste  Krankheiten zugelassen und erprobt sind, haben Paula Perin und ihre Kollegen getestet. Die Idee war, Wirkstoffe zu prüfen, die bereits zugelassen sind, um Entwicklungskosten zu sparen und somit schneller und kostengünstiger zu neuen Wirkstoffen gegen HCV zu gelangen. Und sie haben mit dieser Strategie das Migränemedikament Flunarizin als Wirkstoff gegen einen Genotyp von HCV identifiziert. „Flunarizin bremst HC-Viren vom Genotyp II, während des Viruseintritts“, hat die Wissenschaftlerin beobachtet. „Wenn die Membran des Virus und der Wirtszelle miteinander verschmelzen, stört das Migränemedikament diese Verschmelzung und verhindert so, dass die Viren in die Leberzelle hineingelangen.“

Obwohl der Wirkstoff nur einen von sieben Genotypen am Eintritt in die Zellen hindert, ist die Suche ein Erfolg. Immerhin sind etwa 16 Millionen Patienten mit diesem Virusgenotypen infiziert und vor allem, „können wir nun mit Kooperationspartnern versuchen, den Wirkstoff leicht zu verändern, sodass er auch gegen andere Genotypen eingesetzt werden kann“, sagt Thomas Pietschmann, Leiter des Instituts. „Darin liegt durchaus das Potenzial für eine kostengünstige Strategie gegen HCV – und nebenbei hat unser Team noch grundlegende Fragen zum Viruseintritt in die Zelle beantworten können."

Publikation: Perin PM, Haid S, Brown RJ, Doerrbecker J, Schulze K, Zeilinger C, von Schaewen M, Heller B, Vercauteren K, Luxenburger E, Baktash YM, Vondran FW, Speerstra S, Awadh A, Mukhtarov F, Schang LM, Kirschning A, Muller R, Guzman CA, Kaderali L, Randall G, Meuleman P, Ploss A, Pietschmann T (2016) Flunarizine prevents hepatitis C virus membrane fusion in a genotype-dependent manner by targeting the potential fusion peptide within E1. Hepatology 63(1): 49-62.

Ansprechpartner:

Paula Perin, <link paula.perin@twincore.de - mail "Opens window for sending email">paula.perin(at)twincore.de</link>

Tel: +49 (0)511-220027-138

Prof. Thomas Pietschmann, <link thomas.pietschmann@twincore.de - mail "Opens window for sending email">thomas.pietschmann(at)twincore.de</link>
Tel: +49 (0)511-220027-130